Für mich (und nicht nur für mich) ist die Lehre des Buddha eine Transzendentalphilosophie. Eine "Philosophie" nach der wörtlichen Bedeutung "Liebe zur Weisheit". Der Buddha wurde auch Sakyamuni
genannt - der Weise aus dem Sakyageschlecht.
Transzendenz bedeutet laut Duden:
(von lateinisch transcendentia „das Überschreiten“)
a) jenseits der Erfahrung, des Gegenständlichen Liegendes
b) Überschreitung der Grenzen von Erfahrung und Bewusstsein, des Diesseits
Das Gegenteil ist Immanenz (Duden):
Zu lateinisch immanens (Genitiv: immanentis); 1. Partizip von: immanere = bei etwas bleiben, anhaften, zu: manere = bleiben, verharren
a) innewohnend, in etwas enthalten
b) die Grenzen möglicher Erfahrung nicht übersteigend, innerhalb dieser Grenzen liegend, bleibend
Transzendenz bedeutet demnach das Erfahrbare überschreiten, Immanenz im Erfahrbaren bleiben. Die analogen Palibegriffe in der Lehre des Buddha sind lokiya und lokuttara, gewöhnlich übersetzt mit
weltlich und überweltlich.
Nach der ersten edlen Wahrheit ist jegliches Dasein untrennbar mit Leiden (Dukkha) verbunden. Die einzige Möglichkeit Dukkha zu beenden kann demnach nur darin bestehen das Dasein und damit die
Welt zu transzendieren: "Ohne dass man das Ende der Welt erreicht hat ist es nicht möglich Dukkha ein Ende zu machen." (S.2.26) Das gehört zur Essenz der Buddhalehre, denn "was ich verkünde ist Dukkha und das Aufhören von Dukkha", sagt der Buddha. (M.22)
Der achtfache Pfad zum Ende des Leidens beginnt und endet mit rechter Ansicht (samma ditthi.)
"Rechte Ansicht, sage ich, ist von zweifacher Art: es gibt rechte Ansicht, die von den Trieben beeinträchtigt wird, die an Verdiensten teilhat, die auf der Seite der Vereinnahmung zur Reife
gelangt und es gibt rechte Ansicht die edel, triebfrei, überweltlich, ein Pfadfaktor ist." (M.117).
Die erste Art rechter Ansicht ist also weltlich und bleibt im Immanenten. Die zweite Art ist alles Erfahrbare als unbeständig, leidvoll und Nichtselbst zu erkennen um sich davon loszulösen.
"Ob Vollendete in der Welt erstehen oder nicht: eine Tatsache bleibt es, ein feste und notwendige Bedingung des Daseins, dass alle Gebilde vergänglich sind, dass alle Gebilde dem Leiden unterworfen sind, dass alle Dinge unpersönlich sind. Dies erkennt und durchschaut der Vollendete, und hat er es erkannt und durchschaut, so lehrt er es, zeigt es, macht es bekannt, verkündet es, enthüllt es, legt es auseinander und macht es offenbar." (A.III.137).
Das Transzendente wird vom Buddha als Nibbana bezeichnet. Erfahrbar ist es als Kilesa-Nibbana, das Verlöschen der Geistestrübungen Gier, Hass und Verblendung. Der natürliche Tod eines Arahant ist das Khandha-Nibbana, Körper und Geist erlöschen endgültig, es gibt keine Ursache für ein weiteres Dasein mehr.
Die moderne Wissenschaft gründet auf den Erfahrungen der fünf Sinne und den Schlussfolgerungen daraus. Auf dieser Grundlage kann natürlich den überlieferten höheren Geisteskräften (abhiññā) keine Bedeutung beigemessen werden, wie z.B. das Sehen vergangenen Daseinsformen und wie sich das Dasein nach dem Tod der Wesen in verschiedenen Formen fortsetzt. Auch die Triebversiegung, das Kilesa-Nibbana, ist nur mit höherer Geisteskraft möglich.
Bei mir hat sich mehr Vertrauen in die überlieferte Lehre des Buddha entwickelt als in die gewöhnliche sinnliche Wahrnehmung. Das Transzendente war Jahrtausende hindurch bestimmender Kulturfaktor der Menschheit, wir haben da viel Weisheit vorliegen. Aber wenn man auch die Unzulänglichkeit des Daseins oft erkannt hat, so hat man sich doch unter dem Transzendenten allerhand Vorstellungen gemacht. Wie sagt doch Schopenhauer: "Was sind nicht alles für Bücher geschrieben worden über das, worüber man nichts wissen kann". Ja und was ist nicht alles angebetet und angestrebt worden. Dass der Buddha das Höchste nicht verdinglicht und nur den Weg aus dem Vergänglichen aufgezeigt hat, macht seine Lehre für mich besonders wertvoll. So sehe ich das immanente Dasein, im höchsten Sinn, gleichsam als eine Leiter in die Transzendenz, in das Ungewordene, Todlose, Nibbana. Zugegeben, es scheint eine recht lange Leiter zu sein, aber immerhin geht es aufwärts anstatt ständig im Kreis herum.
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